Stille. Streicher, erst tief dann immer höher. Erst still, dann immer lauter. Langsam entsteht ein Akkord, ein simpler Dur Akkord. Schlicht. Und trotzdem dauert es keine Sekunde bis mir klar wird, dass das kommende Stück je zu vergessen schwermöglich sein wird.
Im Sommerwind –Idyll für Orchester, ein Stück komponiert von Anton von Webern mit 21 Jahren. Das Stück selber gehört zu wenigen Werken die von Webern noch im spätromantischen Stil geschrieben hat; bekannter ist der Komponist wohl eher für seine expressionistischen Werke. Am 3.12.1883 in Wien geboren, zog Anton von Webern, Sohn eines Bergbauingenieurs (Karl Freiherr von Webern), in den Jahren seiner Kindheit zwei Mal um – zuerst nach Graz und dann nach Klagenfurt. Während er Klavierunterricht von seiner Mutter bekam wurde er später in Kompositionstheorie geschult. Von 1902 bis 1906 studierte er dann Musikwissenschaften an der Universität Wien und ab 1904 wurde er zum Schüler von Arnold Schönberg, der ihm auch seine Zwölftontechnik beibringen würde – die bekannteste Kompositionstechnik des Expressionismus. Nach einigen Anstellungen in Österreich und Deutschland, zog Webern – nachdem ihm von den Nationalsozialisten seine Ämter und sein Prestige/seine Anerkennung genommen wurden – nach Mittersill im Salzburger Land. Hier wurde er am 15.09.1945 aus Versehen von einem amerikanischen Besatzungssoldaten erschossen.
Der Tod seiner Mutter und die schwere und düstere Zeit des beginnenden 20 Jahrhunderts sind zweifellos gespiegelt, ja, manifestiert in seinem expressionistischen, atonalen Schaffen. Und auch wenn seine Stücke nicht immer von großer Länge zeugten, so zeigten sie dennoch seine expressionistischen Fähigkeiten. Igor Strawinsky lobte Weberns Werke sogar wie folgt:
„[Er schaffte es] seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, von deren Minen er eine so vollkommene Kenntnis hatte“
In Anbetracht dieser umwerfenden Reputation als atonaler Musiker und Komponist fasziniert mich „Im Sommerwind“ umso mehr, die variable Dynamik, die bewegenden (hochromantischen)Motive, der warme Klang – einfach alles.
Ich gebe zu, inzwischen ist es Winter, auf den Bergen rund um Innsbruck liegt Schnee und draußen könnte man meinen es wäre stiller als im Herbst. Erst kürzlich fielen die ersten Schneeflocken in der Stadt selbst. Macht man dann das Fenster auf hört man gewissermaßen die Stille, man spürt die Anmut der Schneeflocken. Aus dieser Perspektive scheint es eine Verirrung des Stils zu sein, ein Stück mit dem Titel „Im Sommerwind“ zu hören. Aber erstaunlicherweise passt es besser zum Winter, als der Titel ahnen lässt.
Es ist wohl kaum überraschend, dass ein Komponist musikbegeistert ist. Es gehört vielmehr zu den Grundvoraussetzungen. Und besonders dieses Stück macht mir immer wieder klar, worin die Faszination beim Erschaffen von Musik liegt. Für mich ist es die Fähigkeit, eigene Welten zu schöpfen. Keine bildlichen Welten gewiss, sondern vielmehr Szenen, die darüber hinausgehen. Szenen, die schwer vorzustellen sind, deren Schönheit nicht mit dem Auge oder Verstand erfasst werden kann. Letzteres hielt ich – als ich anfing Musik zu komponieren und Partituren zu studieren –als die Vollendung des Musikers und Komponisten. Inzwischen weiß ich, dass die besten Werke, die bewegendsten Stücke uns dort berühren, wo wir uns dessen nur schemenhaft bewusst sind. In diesem Kontext fällt mir schwer, zu sagen wieso der Sommerwind mich in seinen Bann gezogen hat. Nichtsdestotrotz ist es ein Werk, das mich nicht mehr loslassen wird.